Kloster Sießen

Kleine Gründungsgeschichte der Franziskanerinnen von Sießen

Schwere Kriegsfolgen bedrängten in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts halb Europa. Hungersnöte, Seuchen, streunende Kinderbanden und der Frühkapitalismus brachten großes Leid. Im schwäbischen Oberland hatte die Säkularisation 1802 die tausendjährige Kulturarbeit der katholischen Kirche „geköpft“, wie ein Bub einer blühenden Pflanze aus Übermut mit einem Stecken die Blüte abschlägt.

Alle Klöster wurden aufgehoben, die gesamte kirchliche Schul-, Bildungs- und Sozialarbeit vernichtet. Wollten etwa im katholischen Oberland Mädchen eine auf religiös-katholischer Grundlage gegründete Schulbildung erhalten, mussten sie ins benachbarte „Ausland“ nach Bayern gehen, wo schon 1827 der bayerische König Ludwig I. den Franziskanerinnen von Dillingen die Wiederherstellung ihrer Kongregation erlaubt hatte.

In Dillingen stand das älteste franziskanische Frauenkloster nördlich der Alpen, gegründet 1241, kaum 15 Jahre nach dem Tod des Hl. Franz. Wie nebenstehender Stammbaum des Klosters zeigt, sind aus ihm im Laufe der Jahrhunderte viele neue Zweige entstanden. Selbst die Reformation konnte den Baum nicht zum Verdorren bringen. Nur die Säkularisation brachte für kurze Zeit einen Stillstand. Seit der Revolution 1848 aber wehte der Freiheitswind durch alle deutschen Länder. Auch in Württemberg brach ein Klosterfrühling an. 1853 richtete Pfarrer Kuonz von Dieterskirch an die Leiterin der Dillinger Kongregation Theresia Haselmayr die Bitte, sie möge im katholischen Oberland ein Frauenkloster zum Zweck der Ausbildung junger Mädchen errichten. Es werde ganz im Geiste des Hl. Franziskus arm, gering und im Vertrauen auf Gottes Vorsehung diese Aufgabe wahrnehmen. Dillingen erfüllte diese Bitte gerne, allerdings aus politischen Gründen nicht als Filial, sondern als eigenständige neue Kongregation. Die Schule begann mit vier Dillinger Schwestern und 17 Mädchen am 2. März im 1854 säkularisierten Franziskanerinnenkloster von Oggelsbeuren. Die Zahl der Schwestern und der Zöglinge stieg rasch an, so dass bereits im Mai 1860 28 Schwestern und 30 Zöglinge ins größere ehemalige Dominikanerinnenkloster nach Sießen umziehen mussten. Immer häufiger wurden die Schwestern für den Unterricht an den katholischen Volksschulen in der Umgebung angefordert. Kleine auswärtige Schwesternstationen im Land wurden notwendig. In Sießen selbst wurde ein privates Lehrerinnenseminar eingerichtet, das auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes „in Liebe auf Verstand und Herz der Kinder erziehend und bildend einzuwirken und vorzuleben“ ausbilden wollte. Die Kongregation blühte weiter auf. Es entstanden acht Töchter- und Fortbildungsschulen mit Internaten in den Jahren von 1872 - 1898, so auch in Ellwangen entstand 1893 eine Töchterschule mit Namen St. Gertrudis.

Doch Anfang der 70er Jahre war auch in Württemberg der Kulturkampf ausgebrochen, der vor allem die Schulorden schwer traf. Neue Schulen durften nicht mehr gegründet werden. Aus den bestehenden Schulen wurden die Schwestern verdrängt. Novizen durften nicht mehr eintreten. Im Landtag wuchs die Tendenz, die junge Kongregation ganz aussterben zu lassen. Erst ab 1882 wurden die restriktiven Maßnahmen allmählich und nach dem 1. Weltkrieg ganz aufgehoben. In dieser Unsicherheit wandte sich die Kongregation anderen Aufgabenfeldern zu, vor allem der Betreuung von Arbeiterinnen und Angestellten in den großen Industriestädten sowie der Erziehung und Bildung von jungen Menschen aus schwierigen sozialen Verhältnissen. Um Kinder zu retten übernahmen 1908 die Schwestern die Kinderrettungsanstalt in Ellwangen. 1920 entstand in Stuttgart das Josefsheim aus demselben Grund. Sie begannen auch in Krankenpflegestationen zu wirken sowie in der Kinderheilstätte Wangen im Allgäu.

Kurz vor der Machtergreifung Hitlers wurden 1932 erste Schwestern nach Südafrika ausgesandt, wo alsbald Missionsstationen aufblühten. 1936 wagte man dasselbe in Brasilien. In der Zeit des Nationalsozialismus kam die Schulkongregation in schwerste Bedrängnis. Alle ordenseigenen Schulen wurden geschlossen, auch das Lehrerinnenseminar. 1940 erfolgte die Beschlagnahme des Mutterhauses. Innerhalb von 8 Tagen hatten ca. 280 Schwestern das Haus zu verlassen und es für rund 1.300 Auslandsdeutsche zu räumen. Erst Ende November 1945 konnten mit Freude und Dank die Schwestern in ihr verwahrlostes Mütterhaus zurückkehren.

Nach dem 2. Weltkrieg führte die Kongregation nur noch weiterführende Schulen. 4 Realschulen und 2 Gymnasien schlossen sich 1996 als „Sießener Schulen mit franziskanischem Profil“ zusammen. Neue drängende Aufgaben wurden Großstadtseelsorge, Gemeindepastoral, Sonderseelsorge, Hospizarbeit, Gefängnisseelsorge, Betreuung von Obdachlosen, Drogenabhängigen u. a.. Diese Offenheit hatte Frau Theresia Haselmayr aus Dillingen schon 1853 der neuen Kongregation von Sießen als Hoffnung mitgegeben: „Immer und überall im Vertrauen auf Gottes allwaltende Vorsicht zu beginnen“. In dieser Bereitschaft haben auch am 4. Dezember 1908 die Schwestern in der Marienpflege begonnen, die innere Wende einzuleiten.

Kloster Sießen im Internet

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