"Ein alter Kinderdorfvater erzählt aus seinem Leben als Kind, mit Kindern, für Kinder"
... das ist der vom Autor selbst gewählte Untertitel seines Buches.
Biographien haben Hochkonjunktur. Vom Politiker bis zum Schlagersternchen besinnt sich ein jeder auf die Bedeutung seiner eigenen Persönlichkeit. Entgegen dem Wortsinn werden jedoch die wenigsten Autobiographien selber verfasst. Ein „Hoch“ auf die Ghostwriter, denen es gelingt, dem eigenen dürren Leben etwas Substanz zu verleihen.
Pünktlich zu seinem 80. Geburtstag legt der bekannte Kinderdorfvater Erwin Knam seine Biographie vor: „Gnade und Abenteuer“. Wer den Autor kennt - als Priester, Prediger und Pädagogen - dem wird schon im Vorwort klar, hier erzählt nur einer: Erwin Knam. Da schreibt jemand, der etwas zu sagen hat: Widerfahrnisse und Ereignisse, die ihn betroffen gemacht haben, Erinnerungen an seine Kindheit, die schrecklichen Erlebnisse des Krieges, in denen er unter anderem seine priesterliche Berufung erfahren hat. Und es springt einem förmlich in die Augen: Kinder und nochmals Kinder! Dieses Leben ist angefüllt von Liebe, von Beziehungen. Seine Pädagogik hat etwas „Zeitloses“, etwas Allgemeingültiges. Knams pädagogische Sprache ist erfahrungsnah und einladend zugleich. Die Nähe zu den Kindern legt der begnadete Pädagoge allen in der Erziehung Tätigen dringend ans Herz: „Leider begnügen sich viele Pädagogen damit, Konferenzen und Tagungen abzuhalten, ohne ihr Leben wirklich mit den Kindern im Alltag zu teilen“. Für den Priester und Erzieher gibt es zum christlichen Menschenbild keine Alternative, „weil die unantastbare Würde des Menschen in letzter Konsequenz nur aus der Ebenbildlichkeit des Menschen mit seinem Schöpfer begründet werden kann – ganz nach dem Wort und Beispiel Jesu Christi“.
Das vorliegende Buch gliedert sich in neun Kapitel, die chronologisch entfaltet werden. Dabei behandeln die Kapitel 1-4 die biographischen Vorgaben, die das Leben des Autors maßgeblich geformt haben. „Besonnte Kindheit“ (Kapitel 1) erzählt von den eigenen glücklichen Kindertagen in Langenargen am Bodensee. Dort wurde Erwin Knam 1926 geboren „und mit Bodenseewasser getauft“, wie der gelegentlich schmunzelnd erzählt. Seine Eltern und fünf Geschwister nehmen auf seine menschliche und geistliche Entwicklung großen Einfluss. Immer auf der Suche nach einem lebenswerten Ziel, werden ihm die schrecklichen Kriegserlebnisse zu Entscheidungshilfen, die ihn vollends zum Priesterberuf drängen. So wird er, der aufgrund seiner vielseitigen Begabungen alle möglichen Berufe hätte ergreifen können, 1951 Priester und setzt schon in seiner Vikarszeit Maßstäbe in der kirchlichen Jugendarbeit (Kapitel 2-4). Der Bischof wird auf ihn aufmerksam und überträgt ihm 1959 die Verantwortung für die Marienpflege. Der junge Geistliche kommt in ein Heim, in dem 300 Kinder auf engstem Raum leben müssen (Kapitel 5). Die erste Vision von einem Kinderdorf, die Konzeption und bauliche Entfaltung in „sieben Streichen“ werden in den Kapiteln 6-8 erzählt. Das letzte Kapitel schließlich ist ein Danklied an den Schöpfergott, auf die Kinder, die vielen Mitarbeiter und Wohltäter, die den Lebensweg von Erwin Knam begleitet haben.
Erwin Knam beschließt das Buch seines Lebens mit einem Herzensspruch, in dem sein tiefes Gottvertrauen zum Ausdruck kommt: „ War es nicht ein schönes Spiel des Lebens in Gnade und Abenteuer?“ Das von ihm verfasste Lebens- und Glaubenszeugnis zeigt die lebensgeschichtlichen Verbindungen und Zusammenhänge auf, in denen seine Sicht von pädagogischer Seelsorge entstanden ist. Es geht letztlich um die Frage, wie Natur und Gnade in Ihrem Komplexen Wechselspiel im Leben von Erwin Knam integriert sind. Dieser Frage ist der Autor selbst nachgegangen und dafür hat er auch einen passenden Buchtitel gefunden. Letztlich entspringt das Buch jener generativen Quelle, die im Leben von Erwin Knam so unaufhörlich sprudelt und aus der Tausende von Menschen schöpfen durften und immer noch schöpfen.
Rezeption: Dr. Athanasius von Wedon, Westhausen