Broschüre anläßlich der Fertigstellung des I. Bauabschnittes
Diese 48seitige Broschüre mit vielen Schwarz-Weiß-Fotos spiegelt bereits in ihrem Layout den Zeitgeist wieder. Was ist von 1962 bis 1964 in der Marienpflege entstanden - die quaderförmigen, wohl durchdachten ersten sieben Kinderdorfhäuser, die mit dem Lieblingsmaterial der damaligen Zeit gebaut wurden: Beton.
"Je 15 Kinder, Buben und Mädchen im Alter von 2 - 15 Jahren, finden in jedem Häuschen ihr neues Nest". Bemerkenswert, weil damals bei weitem nicht so üblich, ist auch die Konzeption: Geschlechtsgemischte Belegung, möglichst keine Trennung von Geschwisterkindern, Kinder aller Schularten in einer Gruppe gemeinsam.
Gut beschrieben sind die Zustände, die Erwin Knam 1959 vorfand und die ihn zu der Vision des Kinderdorfes geführt hatten: "Trugen die Kinder ursprünglich noch Anstaltskleidung und wurden sie kasernenmäßig zusammengefaßt, so wurde Jahrzehnt für Jahrzehnt die Betreuung familiengemäßer gestaltet. Besonders als um die Jahrhundertwende Ordensschwestern aus dem Mutterhaus der Franziskanerinnen von Siessen kamen wurde noch stärker versucht, das gottgewollte Ideal der Familie so weit als möglich zu erreichen. Aber alle Bemühungen scheiterten letzten Endes an den baulichen Gegebenheiten. Zwar durften jetzt die 250 Kinder in ihren 11 Gruppen altersgemischt aufwachsen, auch durften Buben und Mädchen als Geschwisterkinder meist zusammenbleiben, doch fehlte durchweg die "Wohnung" für jede Familie. Sanitäre Anlagen, lange Gänge waren für mehrere Gruppen gemeinsam. Die einzelnen Räume lagen über verschiedene Stockwerke zerstreut. Die Gruppen waren mit durchschnittlich 25 Kindern viel zu groß und besaßen in der Regel nur je ein einziges Zimmer zum Wohnen. Auch der letzte Einsatz eines liebenden Mutterherzens konnte den anvertrauten Kindern nur schwer die Fähigkeit vermitteln, die sie später so bitter notwendig brauchten: Oft mutterseelen allein in Verantwortung vor Gott und den Mitmenschen ihre Lebensberufung erfüllen."
Zugleich ist die Broschüre eine Werbeschrift für weitere Unterstützung durch den Freundeskreis, der zu diesem Zeitpunkt bereits etwa 1.000 Personen umfaßte.
Auch die hohen Eigenleistungen, die große Unterstützung durch Gemeinden und Pfarrgemeinden, die Ellwanger Garnison der Bundeswehr und die Baugesellen des Internationalen Bauordens werden beschrieben. Bemerkenswert ist auch der hohe Einsatz der Kinder, Mitarbeiter, Ehemaliger und von Direktor Erwin Knam selbst - ein Foto dokumeniert ihn mit Presslufthammer.