1830: Kinderrettungsanstalt

Gründung der Marienpflege

Engagierte Bürger stehen am Anfang

Am 28. Juli 1828 fasste die Amtsversammlung Ellwangen den Beschluß, eine Kinderrettungsanstalt zu errichten, „wenn die erforderlichen Mittel im nächsten Etat freigemacht und geeignete Gebäulichkeiten zur Verfügung gestellt werden könnten.“

Für die Durchführung dieses Planes wurde Oberamtmann Viktor Sandberger (1769-1837) beauftragt. Er dachte zuerst an das Seminargebäude auf dem Schönenberg. Doch bald kam er von diesem Plan wieder ab „da die laufenden Kosten auf dem Schönenberg höher seien als unten in der Stadt. Ferner müsste das Waschwasser am steilsten Teil des Berges hinaufgetragen werden, was der Reinlichkeit der Kinder Abbruch tue. Auch sei es auf dem Schönenberg schwieriger, Personal zu gewinnen."

Am 1. März 1830 bat er König Wilhelm I. von Württemberg um die unentgeltliche Überlassung der Klostergebäude für eine Kinderrettungsanstalt. Am 7. Juni 1830 entsprach der König dieser Bitte: „Seine Königliche Hoheit hat dieser Bitte zu entsprechen geruht unter der Bedingung, dass im Falle der Auflösung der Anstalt, das Ganze dem Staat zurückgegeben werde.

Sandberger arbeitete einen Statutenentwurf aus, der am 8. Juli 1830 von der Amtsversammlung genehmigt wurde. Die Statuten sehen vor, dass die Anstalt von einem „Verein von Menschenfreunden“ getragen wird. Aus seiner Mitte sollte ein Ausschuß von 19 Mitgliedern nach einem durch Los zu bestimmenden Turnus je zwei Mitglieder wöchentlich die Anstalt inspizieren. Diese Menschenfreunde wurden am 28. Januar 1831 durch einen Aufruf aus den achtbarsten Familien der Stadt geworben.

Neues Leben im alten Kloster

Am 8. Juli 1831 wurde die Marienpflege mit 25 Knaben und 18 Mädchen eröffnet. Sie kamen aus dem Raum Ellwangen und den benachbarten Oberämtern Backnang, Gaildorf, Welsheim, Crailsheim, Gerabronn, Schwäbisch Hall. Die Einweihungsrede, die hand-schriftlich noch vorhanden ist, endete mit Jesu Worten: „Wer ein Kind in meinem Namen aufnimmt, nimmt mich auf“.

Prinzessin Marie von Württemberg

Am 20. Dezember 1830 hat „Seine Majestät der König die Gnade, daß der Anstalt der Name Höchstdero ältesten Prinzessin Königliche Hoheit beigelegt und somit ‚Marien-Pflege’ genannt werden darf“.
Prinzessin Marie war zu dieser Zeit 14 Jahre alt (1816-1887). Sie hat sich zeitlebens, besonders in der zweiten Lebenshälfte, als hohe Gönnerin der Marienpflege erwiesen. Ihr Vermächtnis in Höhe von 40.000 Mark bildete den Grundstock für das 1907/1908 errichtete Hauptgebäude.

Das Leben im Waisenhaus

Die Sorge für die Kinder lag in den Händen des Hausvaters. Seine Frau pflegte die Kinder als Hausmutter. Der Hausvater war Lehrer, Erzieher und Bauer in einer Person. Neben der Schule lernten die Knaben Körbe flechten, Bürsten binden, Bänder weben, Schuhe aus Strohböden fertigen. Sie mussten Holz sägen und spalten, Lohkäse machen „zweckmäßige von aller Gefahr entfernte Leibesübungen treiben, aber auch ihre Socken stricken“. Die Mädchen lernten nähen, spinnen, stricken, sowie alle häuslichen Arbeiten. Zur Sommerzeit wurde manchmal erst abends Schule gehalten, wenn untertags auf dem Feld gearbeitet werden musste.

Katholisch oder evangelisch?

In den ersten Jahren stand die Marienpflege beiden christlichen Konfessionen offen. Allerdings nahm die Zahl der evangelischen Kinder immer mehr ab, so dass sie sich bald de facto zu einer katholischen Einrichtung entwickelte, weil die evangelischen Oberämter keine evangelischen Kinder mehr einwiesen.

Juristische Person

Am 27. Oktober 1864 wurden der Marienpflege von König Wilhelm I. die Rechte einer juristischen Person verliehen.