1992: Das Kloster ist gerichtet

Klosterrenovierung - Künstlerpfarrer Sieger Köder gestaltet die Franziskuskapelle

Im Advent 1992 konnten wir nach dreijähriger Bauzeit die Wiederherstellung des ehemaligen Kapuzinerklosters vollenden. Wegen Baufälligkeit war es seit Jahren nahezu leer gestanden, Decken waren herunter gebrochen, Außenwände am Einstürzen. Wie Bruder Franz im Jahre 1205 spürten auch wir: „Geh stell meine Kirche wieder her, siehst du nicht wie sie zerfällt?“

In einem VI. Bauabschnitt haben wir das Kloster zur geistlichen und geistigen Mitte des Kinderdorfes gemacht. Eine dreifache Freude wurde uns zuteil:

Weihbischof Kreidler weihte die Franziskuskapelle, von Sieger Köder künstlerisch gestaltet, als geistliche Mitte des Kinderdorfes ein. Die beiden Glöckchen trugen erstmals unseren Jubel hinaus ins Dorf und in die Stadt. Das erste ist unsere Christusglocke. Sie trägt die Inschrift „Lasst die Kinder zu mir kommen“, das zweite ruft als Franziskusglocke den Segensgruß „Friede und Heil“ hinaus ins Land. Wir freuen uns auch über den Kreuzgang mit dem wieder entdeckten tiefen Brunnen der Kapuziner.

Überaus glücklich sind die Schwestern, dass sie seit ihrem Kommen 1908 endlich im ehemaligen Kloster ihr klösterliches Leben führen und in dieser Oase Gnade, Erholung und Freude für ihren geistlichen Dienst an den Kindern tanken können.

Sehr froh ist die ganze Kinderdorfgemeinschaft, dass im ehemaligen Kirchenschiff ein Festsaal entstanden ist, sowie Konferenzräume und ein Archiv. Damit ist das ehemalige Kloster ein wertvolles Kleinod für das Kinderdorf und für die Stadt geworden. Mit seiner Einweihung wurde der 30jährige Weg vom Waisenhaus zum Kinderdorf vollendet und ein Baudenkmal von besonderem Rang vor dem weiteren Zerfall bewahrt.

1993 feierten 150 Sießener Schwestern ihr „Klosterfest“ im Gedenken an das Mattenkapitel von Bruder Franz in Portiuncula, auf dem er seine Minderbrüder in die ganze Welt geschickt hat, Frieden und Heil zu bringen, so auch unsere Franziskusschwestern.

Dunkle Gewitterwolken über dem Kinderdorf

Infolge der staatlichen Deckelung der Pflegesätze in den Jahren 1993 bis 1997 kam die Marienpflege in große finanzielle Not. Diese Deckelung bedeutete eine Bestrafung der Heime, die wie die Marienpflege bisher sehr sparsam gewirtschaftet und über den Freundeskreis großes, persönliches Engagement bewiesen hatten, denn nun wurde der Pflegesatz auf der niedrigsten Stufe eingefroren. Erst ein Gespräch im Familienministerium in Bonn führte zu einem guten Ergebnis.

Schwester Ingunde hatte seit 1972 die Reittherapie aufgebaut, denn sie schätzte den Umgang mit Pferden als Therapie hoch ein. Besonders die Mädchen fanden durch die Freundschaft mit Pferden eine wertvolle Selbstbestätigung.

Der bestehende Bauernhof wurde mit großer Eigenleistung umgebaut und konnte 1999 eingeweiht werden. Für die Erlebnispädagogik wurde in Eigenleistung auf dem Hof auch eine Kletterwand errichtet.

Mit dem Verkauf des Hofes im Jahr 2005 wurden die Therapiepferde in einen guten Hof in Hummelsweiler eingestellt, das heilpädagogisch-therapeutische Reiten wird mit hohem Erfolg fortgesetzt.

Der "Sonnengesang" von Sieger Köder

Gründung der "Stiftung Präventive Jugendhilfe"

Dank der großartigen Unterstützung durch S.K.H. Carl Herzog von Württemberg, Prof. Dr. Walter Jäger und Wolfgang Riehle konnte am 06.10.1992 die "Stiftung Präventive Jugendhilfe” gegründet werden.

Beteiligt an dieser Initiative sind zwei alte "Rettungs-häuser", die evangelische Sophienpflege in Tübingen und die katholische Marienpflege in Ellwangen. Beide Jugendhilfe-einrichtungen tragen die Namen der beiden Töchter König Wilhelms I. von Württemberg - Sophie und Marie.

S.K.H. Carl Herzog von Württemberg hat ab der Gründung die Schirmherrschaft übernommen und im Jahr 2005 seiner Schwiegertochter, I.K.H. Herzogin Marie von Württemberg weitergegeben. Sie ist uns auch durch ihre Namensgleichheit mit unserer hohen Protektorin vor 180 Jahren besonders verbunden.

Zweck der Stiftung:

"Auf sozialwissenschaftlicher Basis Erkenntnisse über die Lebenslagen junger Menschen, insbesondere gefährdeter Kinder und Jugendlicher zu sammeln, zu erweitern, zu verbreiten und darauf aufbauend gemeinwesenorientierte, lebensfeldbezogene Jugendhilfeangebote zu fördern." (Auszug aus der Stiftungssatzung)

Evangelische und Katholische Kirche und angesehene Bürger und Unternehmer, vor allem aus dem Tübinger und Reutlinger Raum, sowie gemeinnützige Institutionen unterstützen die Stiftung.